Alte chinesische Texte

Vollendung

Nichts ist zu tun, nichts drängt;
Rot scheint die Sonne durchs Ostfenster.
Ich schlafe.
Schweigend schau ich die zehntausend Dinge,
die alle leben durch sich.
Vier Zeiten des Jahres gelangen zur Reife,
so auch der Mensch.
Das Tao, jenseits der Formen,
Himmel und Erde durchdringt es.
Wind und Wolken betrachtend,
sehe ich alles in Wandlung.
Fern von Reichtum und Ehren,
die Freuden bescheidenen Lebens –
Wer dies erlangt,
ist wahrlich ein Held.

Ch’eng Hao (1032-1085)

Ein Lichtschein umgibt die Welt des Geistes.
Man vergisst einander, still und rein, ganz mächtig und leer.
Die Leere wird durchgeleuchtet vom Schein des Herzens des Himmels.

Das Meerwasser ist glatt und spiegelt auf seine Fläche den Mond.
Die Wolken schwinden im blauen Raum.
Die Berge leuchten klar.

Bewusstsein löst sich in schauen auf.
Die Mondscheibe einsam ruht.

Liu Hua Yang: Hui Ming Ging
Das Buch von Bewusstsein und Leben

Kannst du die Geduld aufbringen zu warten
bis dein Staub sich setzt
und das Wasser klar wird?

Laotse: aus dem Tao Te Ching

Andere zu kennen ist Intelligenz.
Sich selbst zu kennen ist Erwachen zu echter Weisheit.
Die Meisterschaft über andere erfordert Stärke,
Sich selbst zu meistern ist wahre Kraft.

Laotse: aus dem Tao Te Ching

Du fragst, warum
In den blauen Bergen weile.
Ich lächle, sage nichts,
Wahre im Herzen die Stille.
Pfirsichblüten treiben im Wasser
Hin zu den dämmernden Fernen;
Himmel und Erde sind hier¨
Anders als in der Menschenwelt

Li T’ai Po (701-762)

Gong Du Zhi fragte den Mengzi und sprach:
„Es sind doch alle in gleicher Weise Menschen. Wie kommt es dass manche grosse Menschen sind und manche kleine?“ Mengzi sprach: „Wer dem Grossen in sich folgt, wird gross; wer dem kleinen in sich folgt, wird klein.“

Mengzi (370-290 v Chr.)

Der Meister sprach: „ nehmt zum Vergleich einen Hügel, der fertig ist bis auf einen Korb Erde; bleibt es dabei, so bedeutet es für mich einen Stillstand. Nehmt zum Vergleich den ebenen Grund, es mag erst ein Korb erde aufgeworfen sein; geht es weiter, so bedeutet es für mich einen Fortschritt.“

Kongzi (Konfuzius) (551 bis 479 vor Chr.)

Ein Weg bildet sich dadurch, dass er begangen wird; die Dinge erhalten ihr Sosein dadurch, dass sie genannt werden.

Zhuangzi (370 – 301 vor Chr.)

Wer das lerne übt, vermehrt täglich.
Wer das Dao übt, vermindert täglich.
Er vermindert und vermindert,
bis er schliesslich ankommt beim Nichttun.
Beim Nichttun bleibt nichts ungetan.

Laotse aus dem Tao Te Ching

Du musst wirken auf das, was noch nicht da ist.
Du musst ordnen, was noch nicht in Verwirrung ist.
Ein Baum von einem Klafter Umfang
Entsteht aus einem haarfeiner Hälmchen.
Ein neun Stufen hoher Turm
Entsteht aus einem Häufchen Erde
Eine tausend Meilen weite Reise
Beginnt vor deinen Füssen.

Laotse aus dem Tao Te Ching

Dreissig Speichen umgeben eine Nabe:
Eben dort, wo nichts ist,
liegt des Rades Brauchbarkeit.
Man knetet Ton zurecht, so dass ein Topf entsteht:
Eben dort, wo nichts ist,
liegt des Topfes Brauchbarkeit.
Man meisselt Tür und Fenster aus,
so dass ein Haus entsteht:
eben dort, wo nichts ist,
liegt des Hauses Brauchbarkeit.

Darum:
Das seiende zeigt seinen nutzen
im Gebrauch erst durch das Nichtseiende.

Laotse aus dem Tao Te Ching

Einst fragte ein Mönch den Zen Meister Muzhou Daozong: „Wie kann ich mich der Notwendigkeit entziehen, Tag für Tag mich ankleiden und essen müssen?“
Muzhou erwiderte: „Indem du dich Tag für Tag ankleidest und isst“.
„Das verstehe ich nicht, Meister “sagte der Mönch.
Muzhou: „Dann kleide dich Tag für Tag und iss!“

Ein Mönch fragte den Zen –Meister Xuansha : „Wie kann ich in die Höchste Wahrheit eintreten?“
Xuansha erwiderte: „Hörst du das Rauschen des Baches?“
„Ja“
„Das ist das Tor, durch das du eintreten kannst“.

Aus dem Jingde Chuandenglu